Bergmannsblasorchester verliert langjährigen Geschäftsführer und Musikerfreund
Bis zuletzt war der 72-Jährige Ehrenvorstand in dem Verein, für dessen Gründung er 1990 maßgeblich mit verantwortlich war. Außerdem ist sein Name untrennbar mit dem Europäischen Blasmusikfestival verbunden. Mit dem Tod von Stefan Richter verliert der Musikverein auch einen wichtigen Fürsprecher im Stadtrat von Aue-Bad Schlema. Die Gedanken des Vorstands und der Mitglieder sind bei seiner Familie, der unser tiefes Mitgefühl gilt.
Thomas Harnisch steht vor der Geschäftsstelle des Bergmannsblasorchesters Aue-Bad Schlema und denkt nach. Als Lehrling im Betrieb für Bergbauausrüstungen hat er Stefan Richter kennen gelernt. Gemeinsam haben sie seit den 1970ern im Vereinigten Blasorchester Wismut Aue musiziert. „Ich bin nun der letzte Musiker aus dieser Zeit hier im Bergmannsblasorchester“, erzählt Thomas Harnisch. Er hat Klarrinette gespielt, Stefan Richter saß am Schlagzeug. Den Takt im Orchester hat Stefan Richter dann von 1990 bis 2018 auch als Geschäftsführer angegeben. Er war maßgeblich mit verantwortlich, dass die Instrumente aus dem Orchester der SDAG Wismut in einen Musikverein überführt werden konnten. Seine Kontakte nach Baden-Württemberg zur Stadtkapelle Herrenberg halfen bei der Vereinsgründung. „Stefan war schon in der Wendezeit unheimlich engagiert und zielstrebig“, erinnert sich sein langer Weggefährte Thomas Harnisch.
Ähnlich äußert sich auch viele Mitglieder des heutigen Bergmannsblasorchesters Aue-Bad Schlema. Dajana Schreyer zum Beispiel, die nicht nur Tenorhorn spielt, sondern jahrelang auch als fest angestellte Mitarbeiterin Stefan Richter unterstützt hat. Sie spricht von der schönsten Zeit in ihrem Berufsleben: „Ich habe ihm viel zu verdanken. Stefan hat sich bis zum Geht-nicht-mehr eingesetzt für andere Menschen, für seine Ziele, für seine Vorstellungen, seine Ideale.“ Die einen sagen, er sei manchmal ein Sturkopf gewesen – Dajana Schreyer hält dagegen und schiebt das auf seine klaren Vorstellungen, ohne die er es nie so weit gebracht hätte: „Klar hat es auch mal gekracht wie bei einem Gewitter, aber danach war wieder Sonnenschein. Stefan war nie nachtragend.“
„Wenn es um die Musik ging, gab es nie Kompromisse“, ergänzt Ricco Broßmann, der mit Stefan Richter auch in der kleinen Besetzung (sieben Musiker) viele Jahre aufgetreten ist. Er sei nicht nur Geschäftsführer des Vereins gewesen, sondern Musiker mit Leib und Seele: „Wenn es um die Musik ging, dann sind alle Steine aus dem Weg geräumt worden. Gemeinsam durch dick und dünn, auch privat.“
Schlagzeug gespielt hat Stefan Richter schon als junger Mann. Und das nicht nur im Blasorchester. Gotthard Kaulfuß, der jahrelang im Vorstand des Bergmannsblasorchesters mitgearbeitet hat, erlebte seine musi-kalischen Anfänge mit: „Tanzmusik haben wir gemeinsam gemacht, als Jugendliche schon in Lößnitz.“ Seit seinem 14. Lebensjahr hat Stefan Richter in verschiedenen Bands und Combos mitgespielt. Bis er 1971 mit 21 Jahren dann dem Betriebsorchester der Wismut in Aue beigetreten ist.
Jana Beyer, Schatzmeisterin im Bergmannsblasorchester seit dem Jahr 2009, hat 10 Jahre mit Stefan Richter im Vorstand zusammengearbeitet. „Stefan hatte klare Linien und Vorstellungen.“ Er habe auch die ganzen Sponsorengelder, die jedes Jahr für das Europäische Blasmusikfestival nötig waren, persönlich eingeworben. Hartnäckig sei er gewesen:
Stefan ist erst wieder raus bei den Firmen, wenn er eine Zusage in der Tasche hatte“, erinnert sich Jana Beyer. Sie lächelt: „Viele haben gesagt, wenn er vorn rausgeworfen wird, kommt er durch die Hintertür wieder rein. Dafür war er bekannt.“
Aber er habe auch ein gutes Händchen gehabt, wie man mit Sponsoren umgeht, stets den richtigen Ton getroffen. „Trotz seiner Hartnäckigkeit hat er das- Feingefühl gehabt, wie man die Sponsoren individuell anspricht. Er hat immer die richtigen Worte gefunden. Deshalb haben wir heute auch so viele Sponsoren und Unterstützer“, erzählt Thomas Schaumberger, der seit 2009 Präsident des Bergmannsblasorchesters ist und sich mit dem Vorstand seit 2019 federführend um das Europäische Blasmusikfestival kümmert.
Das hat Stefan Richter 1992 aus der Taufe gehoben, damals noch als Fest der Blasmusik, dann als Internationales Musikfest und seit mehr als zwei Jahrzehnten als Europäisches Blasmusikfestival. Sein Credo: „Musik verbindet und kennt keine Grenzen.“ Inzwischen ist dieses Festival weltweit bekannt. Stefan Richter hat es geschafft, dass Orchester aus mehr als 40 Nationen schon in Bad Schlema gespielt haben, so auch aus Japan, Kolumbien, Australien oder aus den USA. Weil er taktisch gut jonglieren konnte und so viele Kontakte geknüpft hat.
Durch das Festival ist seine Heimat weltweit bekannt geworden. Jährlich kommen am dritten Septemberwochenende bis zu 20.000 Besucher nach Aue-Bad Schlema und machen die größte Stadt des Erzgebirges zu Europas Blasmusikhauptstadt.
Dafür wurde das Bergmannsblasorchester 2002 zur Internationalen Musikmesse in Frankfurt am Main von über 172 deutschen Musikvereinen, die sich beworben hatten, als „Bundessieger und 1. Ehrenamtspreisträger für innovative, moderne und ehrenamtlich engagierte Vereinsarbeit“ geehrt. Stefan Richter selbst wurde 2021 als Erfinder des Europäischen Blasmusikfestivals mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland geehrt, erhielt das Bundesverdienstkreuz aus den Händen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Auch das hatte Stefan Richter geschafft: Seit Jahren ist der Sächsische Ministerpräsident Schirmherr des Europäischen Blasmusikfestivals.
Stefan Richter bedankte sich bei den vielen ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen: „Ohne die hätten wir das große Musikfestival gar nicht stemmen können.“ 150 helfen jedes Jahr vor allem beim Zeltaufbau und bei Bewirtung sowie Ausschank im Festzelt für rund 3000 Gäste.
„Wir werden versuchen, das Festival in seinem Sinne weiterzuführen. 2019 haben wir es schon einmal geschafft. Trotzdem werden mir seine Ratschläge fehlen, die sehr gut waren, weil er ja schon sehr viel Erfahrung hatte, die wir manchmal vielleicht erst machen müssen“, sagt Präsident Thomas Schaumberger. Stefan Richter hatte sich als Stadtrat von Aue-Bad Schlema in den vergangenen Jahren noch mit stark gemacht für das Europäische Blasmusikfestival. Unter anderem soll ein eigener Festplatz gebaut werden.
2018 hat Stefan Richter mit 68 Jahren sein Amt als Geschäftsführer des Vereins Bergmannsblasorchester Aue-Bad Schlema und als Cheforganisator des Europäischen Blasmusikfestivals niedergelegt. Kurz vorher hatte er noch Rico Reinwarth von der Kreismusikschule des Erzgebirgskreises, für die Jugendarbeit im Bergmannsblasorchester gewinnen können. Er ist nun Geschäftsführer des Musikvereins. „Stefan hat lange vor seinem Weggang dafür gesorgt, dass seine Nachfolge geklärt ist, es eine Zukunft für den Verein gibt und sein Werk in gute Hände gegeben wird“, so Rico Reinwarth.
Auch junge Orchestermitglieder, die Stefan Richter nicht so lange kennen, aber sich gern an gemeinsame Ausflüge mit ihm und dem Jugendblasorchester erinnern, zollen dem langjährigen Geschäftsführer Respekt. „Wir waren zum Beispiel zusammen in Zürich beim Weltjugendfestival oder auf Orchesterreise in Spanien“, erinnert sich Posaunist Hannes Landgraf. „Er war für uns der Leitwolf“. Trompeter David Bachmann fügt hinzu: „Schon als Kind habe ich seine Visionen bewundert. Für mich war er so eine Art Vaterfigur.“ Weil auch den Jugendlichen klar war, Stefan wird nicht widersprochen, haben sie T-Shirts drucken lassen mit der Aufschrift: „Ja Steff!!“ Stefan Richter nahm es mit Humor und schmunzelte darüber.
„Stefan hat uns ein großes Erbe hinterlassen“, fasst Präsident Thomas Schaumberger zusammen und ergänzt: „Aber ein gutes. Wir haben viele Sponsoren, die unseren Verein und das Festival weiter unterstützen. Und wir haben unzählige Kontakte zu Orchestern und Kapellen in der ganzen Welt.“ Deshalb sei es für den Vorstand und die Vereinsmitglieder eine Selbstverständlichkeit, das, was Stefan Richter in fast 30 Jahren aufgebaut hat, fortzuführen und weiterzuentwickeln.
Das diesjährige Blasmusikfestival ist das erste ohne seinen Gründer und jahrelangen Organisator.
Am Gründonnerstag hatten die Musiker und Musikerinnen einen ihrer schwersten Auftritte. Sie spielten ein letztes Mal für einen der bedeutendsten Musikerkollegen in der Vereinsgeschichte des Bergmannsblasorchesters, auf seiner Beerdigung.